KUNSTFORUM International 

Bd. 267 Mai 2020
Kunst in dystopischen Zeiten
Adressaten der Kunst von Roland Schappert


“… Im Vorwort des Buches ORBITALE IRRITATIONEN von 2018 fassen Uta Kopp und Achim Mohné ihr 2007 gemeinsam begonnenes Projekt zusammen: „REMOTEWORDS hat vor zehn Jahren bewusst ein Medium der Zukunft für sich besetzt und die inzwi-schen erfolgten immensen Veränderungen durch die stetig sich steigernde Beschleunigung einbezo-gen.“ Die Künstler reagieren mit ihrem Projekt auf eine 2006 von Google neu veröffentlichte Software, die durch Montage und Überblendung von Satel-liten- und Luftbildern einen „virtuellen Globus“ konstruiert. Das künstlerische Projekt will auf die-se digitale Vermessung und Beobachtung der Welt kritisch reagieren und mit seinen eigenen Mitteln spielen. Ortsbezogene und kontextgebundene Kurz-nachrichten werden zunächst von eingeladenen Autor*innen oder Uta Kopp und Achim Mohné selbst verfasst und dann in eine speziell entwickel-te Typographie gewandelt, so dass nun für orbitale Satelliten und Drohnen sichtbaren Botschaften und Zeichen auf Dächern internationaler Kunst- und Kulturinstitutionen gemalt werden können. Luft-ansichten der realisierten Dachmalereien tauchen dann früher oder später in den virtuellen Globen auf, wenn sie von den Satelliten erfasst werden. An wen richtet sich diese Art der Kommunikation und wel-che Funktion haben die inzwischen 36 realisierten Botschaften? Kopp und Mohné äußern sich hierzu wie folgt: „Ihre Funktion besteht in ihrer Irritation, dem unerwarteten Auftreten von Text im Kontext (urbaner) Landschaft. Die Texte werden dabei in ei-ner Form veröffentlicht, die für Wörter bisher nicht üblich war. Diese analog gemalten Lowtech-Bilder werden mit digitalen Mitteln verbreitet und unter-laufen dabei die Hightech-Zensurfilter der Internet-Giganten. Sie richten sich prinzipiell an alle Net-User, die ihr Glück in den virtuellen Globen suchen oder diese zu anderen Zwecken wie der Navigation nutzen. Nur sie können die Botschaften empfangen, am realen Ort sind sie nicht einsehbar.“ ¹7 Geht es bei diesen Botschaften um eine spezifische Auseinander-setzung und konkrete Kommunikation oder doch eher vorrangig um die Potentialität einer möglichen globalen Sichtbarkeit? „Die globale Sichtbarkeit ist zwar prinzipiell gegeben, aber aufgrund fehlender Werbung, nicht vorhandener Platzierung in Such- maschinen und anderen kommerziellen Verbrei- tungsstrategien sind die Botschaften vorwiegend für Menschen gedacht, die sich an virtuellen Orten umschauen, also nicht vorwiegend für Kunstinteres- sierte. Wir können hierbei jedoch kein kanalisiertes, positives Feedback erwarten.“ ¹8 Vielleicht ergibt sich hieraus ein zukunftswei- sendes Prinzip: Kunst als reflektierte Kommunika- tion über Bildkonzepte zu betrachten, ohne sich die Frage stellen zu müssen, auf welche Weise diese Bilder auftauchen und an wen sie gerichtet sind. Das würde die Kunst zumindest ein wenig von ihrem Markt entkoppeln und den Betrachtern zurück- geben. Entscheidend wäre dann, Kunst als vermit- telnde Instanz zu begreifen, auf dem Spielfeld eines handelnden DAZWISCHEN. …”