Roof
RW.32
235 MEDIA, Koeln

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The words BEWEIS ZU NICHTS (proof for nothing) have been selected by the Cologne Artist Marcel Odenbach after a corresponding poem by Ingeborg Bachman from 1952.

This particular message installed on the roof of 235 MEDIA questions media images in general and pleads for a constant interrogation of “photographic authenticity”. Thereby they take into account the critical analyses of digital utopias during the 1980’s and 90’s as well as the prevailing, increasing manipulation of mass media in semi-democratic states.

Installed | Location | GPS: 15-06-2016 | 235 MEDIA – Am Kölner Brett 1, 50825 Cologne, Germany, 50.9559298,6.9056413
Author | Words : Ingeborg Bachmann selected by Marcel Odenbach | BEWEIS ZU NICHTS
Roof Size | Font Size: 510 qm | 3,5 m x 28 m
On Air: –

235 Media was established in 1982 by Axel Wirths and Ulrich Leistner as an international editor and distributor for media art.



 


INTERVIEW

„Diese übertriebene Frage nach dem Copyright finde ich total unkreativ, krank, miefig.“

Eine Gespräch zwischen Marcel Odenbach, Axel Wirths und Achim Mohné geführt am 17.6.2016 in Marcel Odenbach`s Atelier in Köln.

Achim Mohné: Marcel, was bedeutet „Beweis zu Nichts“ für Dich?

Marcel Odenbach: Es bedeutet für mich viele Dinge. Das ist der Titel eines Gedichtes Ingeborg Bachmanns, die für mich im doppelten Sinne eine sehr große Rolle gespielt hat. Einmal als Autorin, mit der ich, als Kind, das 1953 geboren ist, groß geworden bin und die sich als eine der wenigen mit der Nazivergangenheit in Deutschland auseinander gesetzt hat. Darüber hinaus habe ich einen sehr persönlicher Bezug dazu: Was will ich mir oder was will ich den Leuten eigentlich mit meinen Arbeiten beweisen? Dabei habe ich mich eben auch mit mir als Künstler auseinander gesetzt und da ich von außen als jemand reflektiert werde, der sich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzt, musste ich mir selbst die Frage stellen, in wie weit meine Arbeiten das auch wirklich erreicht haben.

A.M.: Also über die eigentliche Arbeit hinaus ein kritisches selbstreferentielles Fragen?

M.O.: Das ist ja sehr wichtig, sonst würde man sich selbst gar nicht verändern. Ich sehe meine Arbeiten im Zusammenhang mit der Zeit, als die Frage: Wie hat sich meine Arbeit „in der Zeit“ verändert? Wie steht sie heute da? Da gibt es Arbeiten, die immer noch ihren Stellenwert haben, da gibt es Arbeiten die mal mehr, mal weniger interessant sind. Eine Arbeit zu realisieren – besonders eine Videoarbeit – ist ja auch eine gewisse Befreiung. Man geht damit schwanger, dann ist sie fertig und geht in die große, weite Welt, wie ein Kind. In diesem Zusammenhang finde ich es immer wieder interessant oder erschreckend, wie einzelne Themen, von denen man dachte, dass man sie hinter sich gebracht hat, wiederkommen, einen einholen. Im Moment haben wir ja wieder einen sehr starken Drive – auf der ganzen Welt – zu konservativem und reaktionärem Denken, wie damals.

A.M.: Das wäre für mich auch ein Punkt anzuknüpfen. Was hat in diesem Zusammenhang das – damals neue Medium – Video bedeutet und wie hat dies die Beziehung zwischen Axel und Dir geprägt? Man hatte ja kein Verkaufsobjekt mehr, das wertvoll ist, sondern nur eine Videokassette für ein paar Euro. Liegt hier der direkte Bezug des Zitats zu 235 Media?

M.O.: Natürlich, in sofern, dass Axel und damit 235 Media meine Karriere und meinem Leben als Künstler begleitet hat. Axel war mein Ersatz für einen Galeristen und musste also mein Werk „an den Mann bringen“. Wir beide sind zusammen groß geworden. Ich will das mal für Video und Videovertrieb in dieser Zeit verallgemeinern. Man hatte natürlich gleiche Ideen, sonst hätte man nicht zusammen gefunden. Wir haben mit großen Visionen und Illusionen angefangen, teilweise sind sie uns genommen worden, teilweise haben sie sich bestätigt und sowohl 235 Media, als auch ich, sind in andere Richtungen gegangen, als man es damals hätte absehen können, da man vieles einfach nicht vorhersehen konnte. Auf der anderen Seite haben sich auch sehr viele Dinge erfüllt.

Axel Wirths: Das sehe ich ähnlich. Wir waren in einem „Nukleus der gleichen Gefühlslage und Visionspositionen“ und hatten ganz genau vor Augen, wohin es denn gehen kann. Deshalb gefällt mir der Titel so gut, es war ja damals wie „ein kleiner Sozialismus der Kunst“, im Vergleich der reaktionären Struktur der 50er und 60er Jahre. Diese Zeit, diesen Geist wollte man unbedingt hinter sich lassen. Und der Raum, den diese neuen Medien aufzeigten, verhieß eine Befreiung. Es war so gesehen auch eine großartige Zeit.

M.O.: Ganz klar, wir waren zwar auch teilweise naiv, weil wir fehlinformiert waren, besonders über den Osten, aber es war eine unglaubliche Aufbruchsstimmung.

A.W.: Ja, und wir waren total überzeugt von dem was wir machten.

A.M.: Konnte man denn davon sprechen, dass das neue Medium so eine Art Demokratisierung der Kunst versprach?

M.O.: Ja, kann man sagen

A.M.: Nicht vergleichbar mit heute, aber erste Tendenzen eines Kunstmarktes waren da, oder?

A.W.: Schon, aber dies war auch Hand in Hand gehend mit der Diskussionen: Was ist denn überhaupt ein Museum? Was sind die Aufgaben dessen? Das war damals alles sehr im Fluss.

M.O.: Die Idee des Videos hatte auch viel mit den 60ern zu tun. Mit der Beuys`schen Idee, „Jeder ist ein Künstler“. Die Edition sollte damals ermöglichen, dass sich jeder Kunst leisten kann. Das Video ist ja nicht aus der Retorte entstanden, sondern die Ideen des Fluxus haben das Fundament für diese „billigen Kunstwerke“ gelegt. Wir haben daran geglaubt, dass man die etablierte und eingeschlafene Museumskultur aufbrechen muss, um Kunst populärer zu machen. Wir haben aber nicht damit gerechnet, dass das Publikum nach wie vor die Struktur akzeptierte und weiter mittrug. Damals waren die Museen auch nicht sehr voll, das kann man mit heute nicht vergleichen. Durch Video und Fernsehen wollte man mehr, aber vor allem auch andere Menschen erreichen. Heute stellt sich das alles wieder ganz anders dar.

A.M.: Was war deren Argument gegen Video?

A.W.: Das war mehr eine gefühlte Abneigung…

A.M.: …so eine Art Phobie vor Apparaten, die kopieren?. In den 60ern der Kassettenrecorder, in den 80ern, dass VHS Video, daß das Kino killt und dann Napster, daß die Musik Industrie platt machen und somit die Künstler gleich mit…

A.W.: … ja, die Filmemacher fühlten sich beispielsweise bedroht…

M.O.: …auch Harun Farocki zum Beispiel…

A.W.: …und es gab Diskussionen, bei denen sich namhafte Autoren öffentlich gegen Video als Kunst aussprachen, nach dem Motto, Video kann niemals Kunst sein‘. So gesehen haben sich also viele dieser Visionen bewahrheitet. Andererseits, haben gerade die nachfolgenden visionären Strukturen der 80er und 90er Jahre, die einen gesellschaftlichen Freiraum in den Medien versprachen, dies nicht gehalten. Sie kehren sich sogar wieder um. Deshalb ist der Titel für mich doppelt bedeutend: wir haben damals viele Visionen mit den Medien gehabt und wollten es auch uns beweisen, was aber „zu nichts“ geführt hat.

M.O.: Zum Beispiel das Medium Fernsehen – damals als RTL vom ehemaligen SONY Chef gegründet. Wir waren euphorisch und glaubten einen Weg für unsere Arbeiten entdeckt zu haben. Denkste! Dies hat sich leider ins Gegenteil gekehrt und das Schlimmste ist, daß sich die öffentlich-rechtlichen Sender auch heute immer mehr den Privaten annähern, sich anbiedern.

A.M.: Da hatte Alexander Kluge doch dieses tolle Konzept, diese gesetzlich vorgeschriebene Sendezeit für kulturelle Zwecke zu nutzen, und dieses Format entwickelt, wie der das geschafft hat?

A.W.: Das hatte zu tun mit der Verteilung der terrestrischen Frequenzen, daß die Privaten nicht nur über Kabel senden durften, sondern auch eben terrestrisch, mit der Auflage, den freien Produzenten, den Kreativen und Künstlern Sendezeit zu widmen. In diesem Zusammenhang hat 235Media auch experimentiert. Wir haben eine Sendereihe gegründet, die sich „Donnerstag“ nannte, ein freier Pool, sogar einen Grimme-Preis dafür bekommen. Und auch Kluge nutzte mit „10 vor 11“ die Sendeminuten dieser Auflage.

A.M.: Flussers Visionen des „Universums der technischen Bilder“ waren damals ja total aktuell. Hätte man damals von freier, kostenlose Distribution der Videoarbeiten nicht geträumt? Heute ist dies durch YouTube möglich und doch haben sich die Visionen nicht erfüllt…

A.W.: Jein, beispielsweise eine der Hauptforderungen die damals aufkam, das jeder Empfänger auch ein Sender wird, ist heute erfüllt. Vielleicht vermittelt ja, wenn man mal ehrlich ist, YouTube und andere Streamings heute mehr über moderne Kunst, als die Museen oder gar das Fernsehen, obwohl, nein, nicht das Fernsehen…

M.O … Fernsehen und Kunst heute, da stellen sich mir die Nackenhaare auf. Aber genau das wurde damals versucht, mit „Alternativ –TV“, den „Videorebellen“, in der Venloer Straße, mit Klaus vom Bruch, Ulrike Rosenbach und mir. Klaus hat ja einen Sender gebaut, es gab ja kaum Foren, jedenfalls nicht in Deutschland. In Kanada und Holland sah das schon anders aus, mit „electronic art intermix“ …

A.W: …und „the kitchen“ ….

M.O.: …Iliana Sonnabend, mit ihrem reine Videovertrieb und so weiter.

A.W.: Es ist auch eine Frage nach dem Ort, denn der Ortsbegriff hat sich ja auch aufgelöst mit dem Internet, und trotzdem oder gerade deshalb wird der Raum wieder wichtig ….

M.O.: Besonders für Installation, und heute sind Videos fast immer mit Installation, Architektur oder Skulptur verbunden. Damals hat mich aber die Vorstellung, dass meine Arbeit in die spießigen, kleinen Wohnzimmer der Nachkriegszeit eindringen könnten, sehr gereizt. Heute ist das witzlos. Video hatte auch generell etwas subversives, es wurde auch von solchen Gruppen, wie der RAF benutzt, du warst als Videokünstler also per se suspekt.

A.M.: Heute beschäftigt sich die von 235 Media gegründete IMAI Stiftung unter anderem mit der „Restauration dieser Zeit“, in Form der Aufarbeitung des Materials.

A.W.: Ja, aktuell hat das LVR einem Antrag zur Restaurierung von ca. 400 Arbeiten statt gegeben. Videos, bei denen es ausschließlich um den historischen Wert geht, um die Beziehung des Mediums zum Underground, der Performance, zum Fernsehen oder der Installation.

M.O.: Sehr wichtig, denn dort ist ja wahnsinnig viel verloren gegangen. Zum Beispiel die skandalträchtige Ausstellung im Kölnischen Kunstverein von Harald Szeeman, in der es viele Happenings gab, die wir als Video dokumentiert haben. Davon ist heute nix mehr da, das wurde alles vernichtet. Es war zwar nicht die Zeit, in der man etwas für die Ewigkeit machen wollte. Apropos Ewigkeit, jetzt haben wir genug geredet, das kann man ja gar nicht alles aufschreiben.

A.M.: Noch eine Letzte Frage: Wie hältst du es mit der Kontrolle deiner Arbeit und der Distribution im Netz?

M.O.: Das ist mir so was von scheissegal! Ich habe mich selbst nie gefragt, ob ich eine Schallplatte unter ein Video legen darf, Miles Davis zum Beispiel und das einfach gemacht. Ohne Material von Anderen hätte ich selbst auch nicht arbeiten können, meine Kollagen, found-footage, und so weiter. Wenn die VG-Bildkunst mich mal wieder anruft, berichtet, dass da ein Video von mir ohne Autorisierung im Netz auftaucht, dann sage ich: „Ist doch prima… wunderbar“. Also, diese ganze übertriebene Frage nach dem Copyright finde ich total unkreativ, krank, miefig.

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