REMOTEWORDS was the “Guest Artist 2014″ at Wewerka Pavillon Münster. The message for Wewerka has been developed with the students of “Kunstakademie Münster”.
The title refers to the pavilion and its location on the Aasee (Lake Aa) and expresses the relationship of the students to the exhibition site they have used themselves before. IRRITANT indicates a feeling of pique and can be interpreted in a positive as well as a negative way.
Another meaning of the word is irritating. Thus IRRITANT stands here in its double sense: on the one hand as a stimulation to a (provocative) discourse, on the other, as an ambivalence between art and the general public. The Wewerka Pavilion, as an exhibition hall of the Art Academy and a site for public art, is like an alien element in the landscape of the local recreational area of Lake Aa’s park, stating its ability to confront the general public with art.
Participating students: Naomi Katayanagi, Franziska Klötzler, Chiemi Nakagawa, Birgit Wichern. The exhibition was opened on April 22nd with an introduction by Prof. Dr. Sabine Fabo.
Installed | Location | GPS: 13-03-2014 | Wewerka Pavillon, Kunstakademie Münster, Germany | 51.9523927,7.6028609
Author | Words: REMOTEWORDS and students | IRRITANT | Andreas Koepnick
Roof Size | Font Size: 76,59 qm, 4,255m x 18m
On Air: Google Earth 2016
Interview
Ein Irritant in Münster
Der Ausstellungspavillon von Stefan Wewerka, der seit 1989 am Münsteraner Aasee installiert ist, wurde schon früh als irritierendes Moment wahrgenommen und verhält sich laut Wewerka schon aufgrund seiner Architektur ein-dringlich: „Man mag den gläsernen Baukörper mit flachrunder Lichtdecke und Metallträgern mit einem Flugobjekt oder einem alptraumhaft riesigen Insekt assoziieren, das gerade auf der Erde gelandet ist oder im Begriff ist, in jedem Moment loszufliegen.“ Der gläserne Ausstellungsraum ist trotz dieser fremdartigen Aspekte eine kommunikative Architektur, deren Offenheit sie in ein dialogisches Verhältnis zu der sie umgebenden Parklandschaft setzt. Gleichzeitig liegt bei aller fluiden Transparenz eine potentielle Beobachtungssituation vor: Diese Architektur macht ihre Besucher zu sichtbaren Bewohnern, die wie Exponate von Außenstehenden betrachtet werden können.
Beobachtung und die Beunruhigung des öffentlichen Raumes liegen im Konnotationsfeld der vorhandenen Architektur und werden in dem 23. Projekt der Künstlergruppe REMOTEWORDS sowohl in ihrer Materialität als auch performativ weiterentwickelt. Die Installation Irritant nahm ihren Beginn im Sommersemester 2013 im Rahmen eines Seminars zur Land Art, das Achim Mohné von REMOTEWORDS in Zusammenarbeit mit den Studierenden der Kunstakademie Münster Naomi Katayanagi, Franziska Klötzler, Chiemi Nakagawa und Birgit Wichern durchführte.
Die Arbeit von REMOTEWORDS steht in der Debatte um die zunehmende visuelle Beherrschung des öffentlichen Raumes durch ausdifferenzierte Bildsysteme wie Überwachungskameras, Satellitenbilder und GPS. Achim Mohné und Uta Kopp antworten darauf mit einer Strategie der vorausschauenden Intervention. Statt in der Schockstarre einer Big-Brother-Haltung zu verharren, erwarten die Künstler bereits das apparative Beobachtungssystem und kalkulieren seinen sturen Automatismus der Aufzeichnung ein – ein Akt des Hackens, der sich im Futur bewegt. Zu Beginn der Aktion werden völlig analog mit Farbe und Farbrollen überdimensionierte Textbotschaften auf ausgewählten Hausdächern angebracht, die nur für spätere Überflieger und Satellitenbilddienste wie Google Earth oder Apple Maps sichtbar sind und durch diese unweigerlich im Internet verbreitet werden. Die installierten Texte sind ortsbezogen; knapp und prägnant wirken sie wie Erinnerungseinheiten, Meme im Dawkinschen Sinne, die sich mit dem Erfolg einer Werbebotschaft in die Wahrnehmung einpflanzen.
Parallel begleitet wird hier die Taktik der Kontrolle technischer Kontrollapparate durch die Hinzunahme einer funkgesteuerten Überwachungs-Video-Drohne (Closed Circuit-TV-Videodrone), die während der Eröffnung der Ausstellung über den Pavillon fliegt und die ansonsten unzugängliche Textbotschaft „Irritant“ mittels Kamerabild den Besuchern live und ohne Zeitverzögerung mitteilt. Mit der technischen Erweiterung unseres Sichtfeldes ließe sich der dienstbare Aufklärungsflug der Drohne auch den von Marshall McLuhan so emphatisch begrüßten „extensions of man“ hinzufügen. Hinsichtlich ihrer äußeren Erscheinung ist die Mini-Drohne, die hier zum Einsatz kommt, erheblich kleiner als ihre militärischen Varianten und verfügt über einen geradezu sympathischen technischen Körper, der in einem geräuschvollen Hummelflug über die Ausstellungsgäste hinwegsummt.
Dieses freundliche Arrangement mit den Überwachungstechnologien verschafft uns darüber hinaus das beruhigende Gefühl, Autoren und Akteure zu sein, ohne diesen lästigen Rest von prometheischer Scham, die Günter Anders dem Menschen angesichts seiner Ohnmacht gegenüber den von ihm entwickelten technischen Errungenschaften noch zuschrieb. Inzwischen haben wir spielerische und inszenatorische Mittel gefunden, die uns begleitenden Technologien bewusst einzubinden. Auf der Höhe der Zeit des Diskurses der Überwachung erweitern wir unsere Kontrolle, indem wir vorübergehend Kontroll-Autorität an ein anderes, von uns eingesetztes Medium abgeben. Alltagstauglich und dienstbar geworden, verliert die Drohne ihre Brisanz als anonymes Beobachtungs-Instrument. Sie ist nun vielseitig einsetzbar und inzwischen auch als ferngesteuerte Graffiti-Sprüheinheit auf der Seite des systemkritischen Widerstands aktiv. Über das uns entgegenkommende Interface treten wir in ein „Duz-Verhältnis“ zur Apparatur, wie der Philosoph Peter Sloterdijk es treffend formuliert hat. Die von uns entworfenen Objekte fungieren als „Zeug zur Macht“, die ihren Nutzern über gelungene Design-Arbeit suggerieren, die eigentlichen Herren ihrer komplexen technischen Gerätschaften zu sein.
In der vermeintlichen Beherrschbarkeit unseres Beobachtetwerdens gelingt es uns, die Beobachtung zu genießen und sie in den Trainingseinheiten von Casting-Shows und anderen medialen Selbstinszenierungen einzuüben. Der Künstler und Medientheoretiker Peter Weibel hat anlässlich der wegweisenden Ausstellung Control Space bereits im Jahr 2001/2002 auf diese doppelbödige Kontroll-Lust hingewiesen. Eine weitere Bestätigung erfährt dieses Phänomen in den aktuell trendigen drone porns, welche kopulierende Liebespaare zeigen, die unter der gleichgültigen Aufzeichnung der Video-Drohne in Russ-Meyerscher Selbstvergessenheit in ästhetisierten Naturlandschaften agieren.
Wollte man verschwörungstheoretisch gründeln, ließe sich die Party- und Lusttauglichkeit der Drohne als Spin-off oder gar als eine bewusste Strategie der Militärforschung deuten, um die Akzeptanz der Überwachungstechnologie zu steigern. Auf eine handhabbare Größe miniaturisiert, dazu mit organischen oder humanen Attributen versehen, schmeicheln sich die militärisch entwickelten Apparate vertraulich in unseren Alltag, was freundlich wedelnde Roboterhunde und Tamagotschis eindrücklich bewiesen haben.
Der Irritant und das von ihm gerahmte Dispositiv der wechselseitigen Beobachtung legt unser Verhältnis zu den entwickelten Bildtechnologien in aller Komplexität und Widersprüchlichkeit offen. Die gängige, bereits konfektionierte Kritik an der Überwachungsgesellschaft wird durch die Anziehungskraft von Event und Spiel gründlich beunruhigt. Und was noch irritierender ist: Im Modus der lustvollen Kontrolle erfahren wir, dass wir als Voyeure und Akteure an unserer eigenen Überwachung beteiligt sind.
Ryutaro Mimura with Naomi Katayanagi and Chiemi Nakagawa, 2014
00:00:00
Chiemi:結局彼(Achim)がしたいのは人々のコミュニケーションってのがあって…
Chiemi:Was Achim machen möchte, ist schließlich die Kommunikation mit Menschen…
00:00:05
miu:はい。
miu:Ja.
00:00:06
Chiemi:で、まあ、ここ(Wewerka Pavillon)がこんな建物なんだけど、あまり人に興味を持たれてないっていうか、見る人があまり来ないっていうので、
Chiemi:Wewerka Pavillon ist also so ein Gebäude, das nicht viele Menschen Interesse erweckt. Es gibt kaum Menschen, die hierher kommen…
00:00:13
Chiemi:どうにかこのミュンスター市の市民の人と一緒に何かできないかなっていうので、その「わら」っていう提案が…
Chiemi:Was wir mit Bewohnern in Münster machen könnten, haben wir überlegt. Und dann kam die Idee mit dem Stroh.
00:00:20
miu:その「わら」のアイデアは、人とのプロセスが含まれるから。
miu:Da die Idee mit dem Stroh eine Beruhung mit Menschen beinhaltet?
00:00:22
Chiemi, Naomi:そうそう。
Chiemi, Naomi:Genau.
00:00:24
Naomi:ちょうどアカデミーの道路の反対側に、結構のどかな風景が広がっていて、そこのひとつに例えば、なんて言うんだろう、農場?農場に行ってみて、そこでみんなで、小さいお店があって、そこで一緒にパンとか食べて。
Naomi:Auf der anderen Seite der Akademie ist eine friedliche Landschaft. Dort ist ein Bauernhof, wo wir Brot zusammen gegessen haben.
00:00:43
Naomi:そこからその持ち主の人と喋ってみたり、実際「わら」が積み上げられてるところを見たり。ね?
Naomi:Mit dem Besitzer haben wir geplaudert und aufgehäufte Stroh in der Tat gesehen. Oder?
Chiemi:ね。
Chiemi:So ist es.
00:00:53
Achim:
—
00:00:02
Naomi:でも言葉を考えるのは本当、最後の本当数日でばばばっと急に。ヤバい締
め切りが、ってなって。
Naomi:Aber die Überlegung, welches Wort auf dem Dach sein wird, wurde erst in den letzten Tagen vor der Deadline gemacht.
00:00:08
miu:いきなり別の話になったの。
miu:Wurde es plötzlich eine andere Geschichte?
00:00:10
Naomi:結構、急降下じゃないけど、なんて言うんだろう?
Naomi:Wie soll man es nennen, Sturzflug?
00:00:14
miu:急展開?
miu:Rasche Entwicklung?
00:00:16
Chiemi:でも結構、あれだよね。アカデミーのポリティックも入ってるよね
Chiemi:Die Politik der Akademie spielt vielleicht auch eine Rolle…
00:00:20
Naomi, miu:あー。
Naomi, miu:Mhhh…
00:00:22
miu:なるほどね。
miu:Soso.
00:00:024
Achim:
—
00:00:00
Chiemi:でも、そこまで辿り着くのも…
Chiemi:Aber bis dahin war auch ein langer Weg…
00:00:03
Naomi:そう。初めからこの話(Remotewords)だけじゃなかったことは本当によかった。
Naomi:Ja, es war wirklich gut, dass es vom Anfang an nicht nur „Remotewords“ gab.
00:00:05
miu:そうか。それだけの余地が生まれたってことか。
miu:D.h., dass es so eine gute Plattform gewesen war.
00:00:14
Naomi:その、もう、初めにゴールを決めて(じゃなく)。まあ、あったのかもしれないけど、別に決めてそこに向かって行ったんじゃなく、本当にスタートからどの道行こうかっていう感じで…
Naomi:Wir haben kein Ziel gesetzt. Vielleicht gab es schon ein Ziel, aber wir haben nicht auf das Ziel hin gearbeitet. Wir haben überlegt, welchen Weg nehmen wir, so haben wir gearbeitet.
00:00:26
Naomi:結構いろいろ方向を、その、初めから制限しないで、まず何ができるかをこの5人で。
Naomi:Wir zu fünft haben wir verschiedene Richtungen ohne Einschränkung ausprobiert.
00:00:40
Naomi:めっちゃ雹!
Naomi:Oh, was für Hagel!
Birgit Wichern, student at the Akademie Münster, 2014
REMOTEWORDS: Welche Bedeutung hat der Wewerka Pavillon für euch als Ausstellungsraum?
Birgit Wichern: Der Wewerka-Pavillon bieten uns Studierenden der Kunstakademie vor allem die Möglichkeit, noch während des Studiums selbstbestimmte Einzelausstellungen zu entwickeln und zu realisieren (wenn unsere Bewerbungen denn Erfolg haben).
Der Raum steht auf öffentlichem Parkgelände und wird so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Auch werden den Wewerka-Ausstellungen im Gegensatz etwa zu Examensausstellungen und der gleichen zumindest in der Lokalpresse Aufmerksamkeit gewidmet.
In dieser Parklandschaft wirkt der Pavillon meistens wie ein Fremdkörper. Durch Hecken und Büsche ist er von den Spazierwegen abgeschirmt, sodass er nicht zu sehr “stört”. Als störend kann er im Idyll des Aaseeparks tatsächlich empfunden werden. Manchmal ist es aber auch ärgerlich, dass er trotz seiner eigentlich so öffentlichen Lage, von doch eher wenigen Münsteranern und Münsteranerinnen wahrgenommen wird – beides eher negative Empfindungen. Das Werk von Stefan Wewerka ist erstaunlich vielfältig und abwechslungsreich und transportiert oft seinen besonderen Humor. Das sieht man auch am Wewerka-Pavillon mit seinen skurrilen “Insektenbeinen”. Der Bau stellt jeden Künstler und jede Künstlerin vor ganz eigene und unumgängliche Herausforderungen.
REMOTEWORDS: Inwieweit ist das ortsgebundene Arbeiten mit dem Raum Herausforderung, Lust oder gar Last?
Birgit Wichern: Der Raum ist grundsätzlich nur für den Aufbau betretbar. Er ist also eine gigantische Vitrine für Kunst, die durchs Glas betrachtet werden muss und nicht absolut unmittelbar erlebt werden kann. Dadurch allein kommen viele Kunstwerke für den Raum nicht in Frage.
Durch das Glas wird jedoch zugleich auch die äußere Umgebung in den Raum mitintegriert. Das eröffnet neue Möglichkeiten und reizt zu neuen Ideen an. Die besonderen Vorgaben des Raums (Nichtbetretbarkeit; Gläsernheit, Öffentlichkeit im Park, seltsame Stützbeine mit Pieksern, seltsamer Stromkasten, der von der Decke hängt; eigenwillige Deckenkonstruktion usw.) können bei der Arbeit mit dem Raum nicht ignoriert werden. Wenn nicht explizit ortsgebunden damit umgegangen wird, so muss zumindest eine Lösung gefunden werden, die mit diesen besonderen Eigenschaften konkurrenzfrei umgehen kann. Der Raum fordert jedoch regelrecht dazu auf, diese Merkmale in die Konzeption von Kunstwerken miteinzubeziehen.
Der Pavillon steht nun schon seit … Jahren. Eine große Anzahl ortsgebundener Kunst ist dort somit schon gezeigt worden. Die Auseinandersetzung mit diesen Kunstwerken ist unumgänglich, wenn neue ortgebundene Kunstwerke für den Wewerka-Pavillon entwickelt werden sollen. Das ist umständlich, ermüdend, aber oft natürlich auch inspirierend.
REMOTEWORDS: Als Malerinnen und Bildhauerinnen arbeitet ihr selten “site specific”. Wäre ein “white cube” als Ausstellungsraum besser für die Kunstakademie oder geniesst ihr die Auseinandersetzung mit den starken Vorgaben des Pavillon?
Birgit Wichern: Ich arbeite als Bildhauerin gerne und auch immer wieder “site specific” und halte eine Auseinandersetzung mit Räumen, in denen Kunst geschieht, für unheimlich spannend und wichtig für meine Arbeit. Räume sind für mich oft auch Ausgangspunkt. Die Kunstakademie hat mit ihren drei Ausstellungsräumen im Hauptgebäude genügend “white cubes” als Austellungsräume. Natürlich hat man manchmal das Gefühl, der Wewerka-Pavillon ist in seinen Möglichkeiten erschöpfend. Dennoch ist die Herausforderung, die er bietet, gerade im Studium auch eine lohnenswerte Übung. Einen White Cube in der Lage, die der Pavillon bietet, kann ich mir auf gar keinen Fall vorstellen. Natürlich ist er für Malerei und Zeichnung nicht so geeignet. Aber auch Zeichner und Malerinnen haben dort schon gute Ausstellungen realisieren können und sich, genau wie alle anderen, diesen Herausforderungen gestellt. Ausstellungen im white cube kann man zu genüge in anderen Zusammenhängen finden, sodass der Wewerka-Pavillon nicht ersetzt werden bräuchte. Obwohl man es manchmal doch möchte, denn manchmal können die starren Vorgaben und die vielen Ausstellungen, die man dort als Studentin immer wieder sieht, auch einfach nur frustrieren. Den Pavillon verschwinden oder umtauschen zu lassen sind dann entsprechende Ideen, die aus diesen Auseinandersetzungen hervortreten – Ergebnisse, die wiederum bereichern können.